Ein Praxisblick Betriebswirtschaft
Herr P. bekommt Post
Kunde Gerald P. liest gerne. Also bestellt er sich beim Trauner Verlag, dem besten Schulbuchverlag in ganz Linz, zwei Bücher, damit ihm in den Sommerferien der Lesestoff nicht ausgehen möge. Er freut sich riesig, dass die Lieferung nach Wien innerhalb von 48 Stunden abgeschlossen sein wird und für ihn keine Versandkosten anfallen.
Tatsächlich trifft die Lieferung innerhalb der angegebenen Zeit vollständig ein. Herr P. ist sehr zufrieden. Der Postbote, Herr Thomas K., hatte ihn wohl nicht erreichen können und das Paket daher einfach an seiner Wohnungstür abgelegt. Auch gut! Herr P. ist ja nicht kleinlich.
Er öffnet das Paket, welches die Sachbearbeiterin, Frau Anna J., sorgfältig verpackt hatte. Sie hat auch nicht vergessen, den Lieferschein beizulegen. Nach 4 Semestern an einer Handelsakademie ist es Herr P. gewohnt, alle Rechnungen und Lieferscheine sorgfältig zu prüfen. Doch bereits nach einem kurzen Blick auf das Dokument stutzt Herr P.
„Warte mal, so haben wir das aber nicht gelernt“, grübelt er. Kann es sein, dass hier Theorie und Praxis voneinander abweichen oder ist da jemandem tatsächlich ein „Anfängerfehler“ unterlaufen?

Lieferschein, Trauner Verlag, Linz
Fragestellungen
- Was ist Herrn P. aufgefallen, das ihn stutzen ließ? Bezieh dich bei deiner Antwort auf den Text und bilde ganze Sätze.
- Wie müsste die korrekte Lieferbedingung im vorliegenden Fall lauten? Es reicht, hier den Fachbegriff anzugeben.
- (Bonusfrage UNCO, 3. Semester) Wie kann Herr P. die Kosten (oder wenigstens einen Teil davon) absetzen?
- (Bonusfrage BTPQM/ÜFA, 4. Semester) Was ist beim Verlag schiefgelaufen? Wie könnte man den Fehler sinnvoll beheben?
Lösungen
ad 1) Die am Lieferschein angegebene Lieferbedingung ist falsch. „Ex Works/Ab Werk“ würde bedeuten, er hätte sowohl die Kosten als auch das Risiko für die Lieferung bereits ab Linz tragen müssen (eine sogenannte „Ein–Punkt–Klausel“). Herr P. hätte sich die Ware also entweder selbst beim Lieferanten abholen müssen oder einen Transporteur seiner Wahl beauftragen (und bezahlen) müssen, dies für ihn zu erledigen. Doch die Ware wurde ihm versandkostenfrei vom Lieferanten bis an die Haustüre zugestellt. Damit ergibt „ab Werk“ keinen Sinn mehr.
Trüge Herr P. zwar das Risiko der Fracht aber keine Versandkosten, wäre die passende Lieferbedingung „frachtfrei ‚Woauchimmer‘“ (wobei „Woauchimmer“ theoretisch jeder Bestimmungsort sein könnte; eine „Zwei–Punkt–Klausel“). Das Risiko (der Beschädigung oder des Verlustes) ginge (bei tadelloser Verpackung und ordnungsgemäßer Übergabe) bereits ab der Übernahme durch die Post auf Herrn P. über, auch wenn Trauner die gesamten Versandkosten trägt.
ad 2) frei Haus (auch eine „Ein–Punkt–Klausel“)
ad 3) Herr P. kann die Ausgaben über die Arbeitnehmerveranlagung als Werbekosten geltend machen, da er nachweisen kann, dass die Aufwendung für diese Literatur im Zuge seiner Ausbildung relevant ist und nicht von geförderten Aktionen (wie der Schulbuchaktion) getragen wird.
ad 4) Der Trauner Verlag hat offensichtlich einen Fehler in der Dokumentvorlage. Die ausgewiesene Lieferbedingung scheint in dieser Form in deren System gespeichert zu sein und wird daher automatisch angedruckt. Jedoch widerspricht die Zusicherung und Durchführung Trauners dieser Angabe diametral.
Am einfachsten könnte Trauner diesen Fehler beheben, indem sie die Lieferbedingung aus dem Lieferschein entfernen, denn erstens gibt es keine gesetzlichen Formvorschriften für Lieferscheine und zweitens ist die Angabe von Lieferbedingungen nicht verpflichtend. Auf der Website und einer etwaigen Rechnung wären diese ohnehin angegeben. Will man diese jedoch unbedingt auf dem Lieferschein vermerken, wäre eine Vorauswahl der jeweils gültigen Bedingung sinnvoll. Eine automatisierte Ausgabe ist hier weder effizient noch effektiv.